Buch: In jedem Moment unseres Lebens haben wir die Wahl: Unsere Lebensumstände können uns verhärten, uns ängstlich und abweisend machen, oder sie lehren uns, sanfter, mitfühlender und freundlicher zu werden. Doch unsere gewohnten Strategien mit Ängsten, Leiden und Schwierigkeiten umzugehen, sind wenig geeignet, diese zu überwinden - stattdessen zementieren sie diese letztlich nur. Aus dem riesigen Fundus buddhistischer Geistesübungen schöpfend, macht die erfahrene Meditationsmeisterin hier deutlich, wie wir unsere Ängste nutzen können, um in einer schwierigen Welt und in schweren Zeiten zu Furchtlosigkeit finden und authentisch leben zu können.Das Buch von Pema Chödrön „Geh an die Orte, die du fürchtest“ , ist wie ein kleiner Wegweise, der uns Methoden zeigt und Werkzeuge an die Hand gibt, wie wir uns auf dem Weg machen können, in uns das völlig offene Herz zu wecken und zu einem mitfühlenden Krieger zu werden. „Wir können zulassen, dass die Lebensumstände uns verhärten, uns ängstlicher und abweisender machen, oder sie lehren uns, sanfter, mitfühlender und freundlicher zu werden und offener für das, wovor wir unsfürchten. Wir haben die Wahl.“ Auf dieser Unterweisung basiert das Buch.

„Bodhichitta“ („völlig offenes Herz”, „wunder Punkt“) wird auch mit der Fähigkeit „zu lieben“ und mit Mitgefühl gleichgesetzt. Liebe und Mitgefühl  machen uns Angst, weil wir uns durch diese öffnen. Da wir uns ständig davor fürchten, verletzt  zu werden, errichten wir Schutzmauern aus Meinungen und Vorurteilen, die wir durch verschiedene Emotionen verstärken. Wir müssen lernen, dass  unter den errichteten Mauern das Herz liegt, das uns Mitgefühl lehren kann. Wir können lernen, dass auch in den schwersten Zeiten, mitten in unserem Leiden, Zugang zu Bodhichitta möglich ist.

Ein Bodhisattva (mitfühlender Krieger), stellt sich den herausfordernden Situationen, um Leiden zu lindern indem er sich darin schult, das bedingungslose Bodhichitta zu wecken.

Wenn wir uns auf dem Weg des Kriegers machen, brauchen wir Mut, Offenheit und Mitgefühl, um unsere eigenen Ängste anzunehmen und uns in dem wunden Punk, unserem Schmerz, aufzuhalten. Offenheit hilft uns, unsere Ängste besser zu verstehen. Wenn wir offen und empfänglich bleiben für alles was passiert, wird Bodhichitta zum Vorschein kommen.

Vergänglichkeit, Ichlosigkeit und Leiden belehren uns, nicht länger gegen die Natur der Wirklichkeit anzukämpfen.  Wenn wie die Vergänglichkeit akzeptieren, die Prinzipien der Ichlosigkeit und die Gründe unseres Leidens verstehen, können wir damit aufhören, dem Wechsel von Freude und Schmerz entfliehen zu wollen. Wir können lernen, uns zu entspannen und einfach in jedem Augenblick unseres Lebens voll gegenwärtig sein.

Die Bodhichitta Schulung

Die zentrale Praxis für einen werdenden Bodhisattva ist das Kultivieren von Maitri (bedingungslose Liebe). Die Übungen der vier grenzenlosen Eigenschaften: Meditation, Liebenden Güte, Mitgefühls, Freude und Gleichmuts sind Werkzeuge, die uns darin schulen können, den wunden Punkt von Bodhichitta freizulegen.

Im Sitzen, in Meditation, können wir an unseren Gedanken und Emotionen näher herankommen und uns mit unserem Körper verbinden. In der Meditation akzeptieren wir uns so, wie wir sind, mit unserer Verblendung und unserer geistigen Gesundheit (MAITRI). Erst wenn wir beginnen, uns mit uns selbst anzufreunden, wird die Meditation zu einem transformierenden Prozess in dem wir vier Qualitäten von Maitri entwickeln:

  • Standhaftigkeit (einfach in unserem Körper zu sein, zur Kenntnis nehmen, was darin vorgeht )
  • Klares Sehen (Ehrlichkeit gegenüber uns selbst, die Barrieren sehen, die wir errichten)
  • unsere emotionale Not annehmen, ohne unsere Erfahrung zu verdammen oder zu rechtfertigen
  • völlig „da zu sein“, Augenblick für Augenblick

Diese vier Eigenschaften sind auch für alle Bodhichitta Übungen und für den Umgang mit schwierigen Situationen in unserem Alltag von Bedeutung.

1.) Die Übung „Liebende Güte“ schult uns, Aufrichtigkeit, Liebe und Mitgefühl uns selbst gegenüber zu entwickeln und unsere Engstirnigkeit zu erkennen. Wir lernen, unser Herz und unseren Geist auch unter schwierigeren Umständen zu öffnen und zu erkennen, wann wir Barrieren zwischen uns und anderen errichten. Ziel ist, die liebende Güte erst für uns selbst zu entwickeln und diese dann Schritt für Schritt auf einen immer größeren Kreis auszudehnen. Jede Stufe gibt uns die Möglichkeit, unser Herz ein Stück weiter zu öffnen und unser Fähigkeit, ohne Voreingenommenheit zu lieben, zum Vorschein zu bringen.

2.) Um Mitgefühl zu üben, brauchen wir die Bereitschaft, Schmerz zu empfinden, wir üben uns in Tapferkeit, uns dem Schmerz zu stellen. Wir wünschen, dass alle Wesen – einschließlich wir selbst, und auch diejenigen, die wir nicht mögen – vom Leiden und vor der Wurzel des Leidens frei sein mögen. Mit dem Wunschgebet können wir unser Herz sanfter werden lassen und gleichzeitig – in Hinsicht auf die Momente, in denen wir uns öffnen oder abschotten –, ehrlicher und nachsichtiger mit uns selbst werden. Durch diese Übung gewinnen wir ein immer tieferes Verständnis für die Wurzel des Leidens.

In der Übung des Tonglens wird unser Mitgefühl auf all jene ausgedehnt, die in derselben misslichen Lage sind, wie wir. Wir sind bereit, unser eigenes Leiden und Schmerz, sowie den von anderen aufzunehmen, und das Glück zu uns selbst und allen anderen auszusenden. Mit der Praxis des Tonglen schulen wir uns darin, uns nicht mehr so sehr an unser Ich zu klammern und uns um andere zu kümmern.

3.) In dem Wunschgebet zum Erwecken von Wertschätzung und Freude üben wir uns darin, uns auch über die geringste Wohltat zu freuen und Dinge wertzuschätzen, die das Leben für uns bereithält. Der Schlüssel ist, in jedem Augenblick ganz präsent zu sein. Die Kombination von Achtsamkeit und Wertschätzung bringt uns in vollen Kontakt mit der Wirklichkeit und schenkt uns Freude. Wir lernen, uns zu freuen, wenn wir an einen geliebten Menschen denken und sein oder ihr Glück würdigen. Dann üben wir mit Menschen, die uns weniger eng verbunden sind. In den einzelnen Schritten lernen wir, unser Herz für andere zu öffnen und uns mit anderen zu verbinden.

4.) Gleichmut zu kultivieren bedeutet, dass wir alles, was im Leben kommt (Krankheit, Gesundheit, Armut, Reichtum) annehmen können. Egal „was“ es ist, wir heißen es willkommen und lernen es kennen.

Die Übungen der vier  grenzenlosen Eigenschaften sind Wege, um Bodhichitta zu erwecken. Mit diesen Übungen drücken wir unsere Bereitschaft aus, unser Herz zu öffnen und näher an unsere Ängste heranzukommen. Sie helfen uns, unsere Fähigkeit auszubauen, standhaft bei unseren Erfahrung zu bleiben und den Unterschied zwischen einem verschlossenem und einem offenem Geist kennenzulernen. Wir entwickeln die Bewusstheit und die Freundlichkeit, die wir brauchen, um anderen helfen zu können.

Die nahen und entfernten Feinde der vier grenzenlosen Eigenschaften: Anhaften, Hass, Mitleid, Überwältigt-Sein, Grausamkeit, Übermut, Gleichgültigkeit und Voreingenommenheit – sind unsere Lehrer, die uns zeigen, dass wir uns und andern mit allen Schwächen akzeptieren können.

Auch Vergebung ist ein wichtiger Bestandteil der Bodhichitta-Praxis. Durch Vergebung lernen wir, von der Vergangenheit abzulassen und einen Neuanfang zu machen. Vergebung kann man nicht erzwingen, sie ist ein natürlicher Ausdruck des offenen Herzens, unseres grundlegendem Gutseins.

Text: Eva Bales, Teilnehmerin der Yogalehrerausbildung