Wie kann es gelingen, sich selbst zu akzeptieren, losgelöst von äußeren Umständen ein liebevolles Verhältnis zu sich zu haben? Hilft Yoga dabei, dies zu lernen?
„Ich kann nicht meditieren, mein Geist ist zu unruhig“.
„Ich kann nicht an der Yogalehrerausbildung teilnehmen, ich bin noch nicht gut genug“.
Sätze, die ich als Yogalehrerin hier im Openlotus Yoga Köln immer wieder höre. All diesen Gedanken liegt die Vorstellung zu Grunde, dass man für irgendetwas nicht gut genug ist, nicht ausreicht, sich erst noch verbessern muss.
In jedem von uns tauchen solche Gedanken auf. Es ist jedoch nicht nur die Angst, nicht gut genug zu sein, sondern eigentlich ein Mangel an Akzeptanz sich selbst gegenüber, an Liebe zu sich selbst. Man glaubt, wenn man etwas Bestimmtes erreicht hat, sei es ein Yogaasana, einen anderen Job oder eine bessere Figur, dann endlich würde man sich mögen, sich annehmen können, glücklich werden. Es sind diese „wenn- dann“-Sätze, von denen wir uns Glück und Zufriedenheit versprechen, wenn nur bestimmte Voraussetzungen oder Bedingungen erfüllt seien.
Wie oft musste aber jeder schon feststellen, dass dem nicht so ist. Ein Kleidungsstück, das man sich geleistet hat und bei welchem man sich im Geschäft noch wunderschön gefühlt hat, ist nach einer Weile auch nur noch ein weiteres Teil im Kleiderschrank. Ein Job, den man bekommen hat, wird zur Gewohnheit. Das Asana, welches man jahrelang nicht praktizieren konnte und nunmehr kann, ist nichts Besonderes mehr. Schon wartet eine neue Position, eine neue Herausforderung, die bei Erreichen Glückseligkeit verspricht. Das, was man selber leisten und erreichen kann, wird nicht beachtet, sondern als selbstverständlich abgetan. Kein Grund, sich darüber zu freuen, kein Grund, die eigene Leistung anzuerkennen und noch weniger ein Grund, sich zu 100% zu mögen und anzunehmen. Es ist ein Teufelskreis. Niemals wird man, wenn man dieses Muster nicht durchbricht, Frieden mit sich schließen können, niemals gut genug sein, um irgendetwas zu machen, niemals wird es gelingen, wirklich bei sich selbst zu sein. Ewig wird man versuchen, jemand Anderes zu sein, irgendein Mehr von etwas, was man bislang vermeintlich nicht ist oder hat. Es ist ein Hoffen auf eine Zukunft, die nie kommen wird.
Ziele und Wünsche zu haben ist nicht verkehrt. Ohne diese würde man reglos verharren, nicht nach Höherem streben, nichts würde sich bewegen. Ziele zu haben ist sogar essenziell, es ist der Motor, um Dinge anzugehen, sich zu trauen, sich zu motivieren. Nur mit Absicht und Fokus gelingt es, Ziele zu verfolgen. Es ist nicht der Wunsch, der das Problem ist, sondern das Unvermögen, sich zu mögen und zu akzeptieren.
Zu Beginn meiner Yogapraxis konnte ich lange Zeit urdhva mukha svanasana nicht praktizieren. Mir war, als wäre ich unter all den anderen die Einzige, die es nicht fertig brachte, chaturanga dandasana, die tiefe Liegestützposition, zu halten, um von dort grazil, so wie es bei allen andern schien, in den heraufschauenden Hund zu fließen. Ich fühlte mich eher wie ein Sack ohne Kraft. Die Kobraposition, „meine“ Alternative, wurde mir verhasst, war sie doch Sinnbild für mein Unvermögen. Ich träumte von der Zeit, wenn auch ich endlich „fließen“ konnte, dachte, von da an sei ich dann ein Yogi und würde mich nicht mehr als so ungenügend empfinden. Was für eine Lektion. Mit beständiger Praxis gelang es irgendwann, doch ich war immer noch die Gleiche. Es ging kein Feuerwerk los, welches mich im Kreis der „wahren Yogis“ empfing, ich gewann keinen Preis, alles war wie immer. Ich freute mich. Für eine halbe Stunde. Dann gingen mir schon Gedanken durch den Kopf, wie, „ das war aber auch nötig, Basispositionen nicht zu können ist inakzeptabel, Position XY ist toll, was ist schon ein heraufschauender Hund?“ Für eine kurze Zeit nur war ich mit mir zufrieden, dann schon nagte wieder die gleiche innere Stimme, die meinte, das sei noch lange nicht genug, das würde noch lange nicht ausreichen. Die Vorstellung, die ich hatte, dass ich mich bei Gelingen der Position leiden könnte, hatte sich nicht erfüllt. Ich war mir immer noch nicht gut genug. Ich konnte zwar nun die Position, aber ich war die alte geblieben. Die Veränderung der äußeren Umstände hatte für meine innere Welt keine Veränderung gebracht.
Bis ich dieses Muster auch im Yoga erkannte, dauerte es seine Zeit, schließlich gibt es unzählige, schier unglaubliche Positionen, die man alle vermeintlich erst noch können muss.
Wie kann es also gelingen, sich selbst zu akzeptieren, losgelöst von äußeren Umständen ein liebevolles Verhältnis zu sich zu haben?
Es ist immer nur in jedem einzelnen Moment möglich, immer nur im Hier und Jetzt unter den gegebenen Umständen. Ich kann nur ich selber sein — was sonst sollte ich mitbringen? Ich habe nur diesen Körper, nur diesen Geist, nur dieses Aussehen, nur diese Fähigkeiten. Mehr habe ich nicht, mehr bin ich nicht, mehr muss ich aber auch gar nicht sein. Es ist unser Geist, der uns treibt, der vergleicht, sich ungenügend fühlt und nicht zulässt, dass wir, so wie wir sind, uns selber akzeptieren und lieben können.
Wenn es nicht gelingt, innere Liebe zu sich zu entwickeln, die unabhängig von äußeren Faktoren ist, werden Veränderungen schmerzhaft sein. Sobald ich älter werde, vielleicht nicht mehr so fit und leistungsfähig wie davor, graue Haare und Falten Einzug halten, ich meinen Job verliere oder scheinbar Misserfolg habe, werde ich mein Selbstwertgefühl verlieren. Beständig werde ich versuchen, den alten Zustand wieder herzustellen, anstatt zu erkennen, dass Veränderungen zur Natur des Daseins gehören und alles im Fluss ist. Ständig werde ich versuchen, ein anderer zu sein, als ich eigentlich bin.
Jeder einzelne von uns muss lernen, dass er, so wie er ist, gut ist. Wir müssen lernen, uns selber zu lieben. Wenn ich mich nicht mag, ich mich nicht akzeptieren kann, dann suche ich außen nach Bestätigung. Ich brauche Menschen, die mir sagen, dass ich schön bin, gut bin etc., da ich selber es nicht kann. Ich werde beständig versuchen, mich anders darzustellen, vermeintliche Schwachstellen zu vertuschen, versuchen, mich größer zu machen, als ich bin, nur um nicht so „nackt“ mit meinem Selbst zu sein. Das ist kein Weg, der sich zu begehen lohnte.
Mir wurde einmal eine Geschichte erzählt, die Osho gelehrt haben soll: Ein König hatte einen Garten. Er hatte viele verschiedene Pflanzen gesetzt und ging, um nach ihnen zu sehen. Was er sah, verwunderte ihn. Alle Pflanzen kümmerten vor sich hin. Er fragte einen Baum, warum er nicht wachse, der antwortete, er sei traurig, da er nicht so schöne Blüten habe, wie die Blume. Die Blume war unzufrieden, da sie nicht so groß werden konnte wie der benachbarte Strauch. So ging er von Pflanze zu Pflanze und von allen bekam er die gleiche Antwort. Alle Pflanzen im Garten waren unglücklich. Dann sah der König ein Stiefmütterchen, welches leuchtend und kraftvoll in einem Beet strahlte. Er ging hin und sagte der Pflanze, dass er sich freue, dass sie so gut wachse. Das Stiefmütterchen antwortete: Nun, da du mich gepflanzt hast, denke ich, dass du mich haben wolltest. Also versuche ich mein Bestes, um zu wachsen und zu blühen.
Als ich diese Geschichte das erste Mal hörte, dachte ich, wie albern es für eine Blume wäre, sich nicht zu mögen. Ist sie doch, wie alles, perfekter Ausdruck der Schöpfung. Einer Pflanze würde ein solcher Gedanke nie in den Sinn kommen. Dann habe ich verstanden und fing bei mir selber an, mein eigenes Wachsen und Gedeihen mit einem liebevollen Blick zu bedenken.
Nicole Konrad, Openlotus – die Yogaschule in Köln