Buch: Alles geben nur nicht auf!Auszug aus dem Buch „Alles geben nur nicht auf“ von Stephanie Feyerabend Verlag
hier: der Beitrag von Nicole Konrad erzählt von der Intention zur Gründung von Openlotus – die Yogaschule

„Das ist total naiv“ war die Einschätzung einer befreundeten mittelständischen Unternehmerin, als ich ihr erzählte, in welcher Absicht und mit welchen Qualitäten ich das Yogazentrum plante, welches ich in naher Zukunft in „ganz groß“
eröffnen wollte. Dabei sah sie mich mit einem Blick an, der sagte: Du wirst schon sehen, dass ich recht habe, und dass du deine Ideale über Bord werfen wirst.
Dieses Ereignis ist nun über 6 Jahre her – und hatte sie Recht? Nein, zum Glück nicht.

Was wollte ich? Was war meine Motivation, ein weiteres Yogastudio in Köln zu gründen? Bislang unterrichtete ich nebenbei ein paar Stunden, ich hatte einen kleinen Raum gemietet. Die Kosten waren überschaubar – die Möglichkeiten zur Entfaltung aber eben auch.

Die Lotusblume, die Namensgeberin für das Studio wurde, steht in der asiatischen Symbolik für ein über sich Hinauswachsen und das Erkennen der wahren Natur. Wie alles, das lebt, gedeiht und sich entwickelt, braucht es Zeit, Kraft, Ausdauer und den Willen, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren, um zur vollen Entfaltung zu gelangen. Die Seerosen entstehen am Grund des Bodens im Schlamm und arbeiten sich nach oben – durch das immer klarer werdende Wasser bis an die Oberfläche, wo sie ihre Schönheit offenbaren. Und sobald sie da sind, kann sie nichts mehr „beschmutzen“, der bekannte Lotus-Effekt wirkt. Sinnbildlich steht der Lotus also für unseren eigenen Weg der Entfaltung. Wir selbst haben manchmal das Gefühl, im Schlamm zu stecken, nicht klar zu sehen, da das Wasser um uns herum trüb ist, das Wachsen so langwierig und mühsam erscheint und manches einfach schwierig ist und wir oft nicht einmal einen Vorgeschmack auf das erhalten, was kommen wird. Jedoch, im Vertrauen darauf, der inneren Stimme zu folgen und unsere Wahrheit zu entfalten, gehen wir weiter, und überwinden Hindernisse und Zweifel.

Yoga stellt für mich DEN Weg dar. Für mich war und ist diese Praxis ein Weg zur Erkenntnis des eigenen Selbst, der Entwicklung von Güte und Freundlichkeit gegenüber mir und anderen, eine Praxis, die mich lehrt, stark zu sein, und dabei auch Verletzlichkeit zuzulassen. Yoga ist auf allen Ebenen heilsam – und genau auf diesen Qualitäten sollte das Studio fußen. In der Yogawelt sagt man gerne: Yoga ist für jeden da – was stimmt. Jedoch ist dieser Grundsatz nicht ganz einfach zu realisieren. Technisch gesehen ist es einfach, Menschen im Yoga zu unterrichten, die jung, fit und nicht verletzt sind. Aber mit allen Yogis zu arbeiten, egal ob sie alt oder jung sind, chronisch krank oder top-fit, leistungsorientiert oder Stille suchend – das ist eine ganz andere Herausforderung. Dieser wollte ich mich stellen.

Neben einem hochwertigen regulären Kursprogramm hatte ich außerdem im Bereich der Fort- und Weiterbildung von Yogalehrern die Absicht, Maßstäbe zu setzen. Um Yoga zu unterrichten, bedarf es eines tief fundierten Wissens über die menschliche Anatomie und die Bewegungsprinzipien wie auch eines Grundwissens über gängige Krankheitsbilder. Außerdem ist ein detailliertes Wissen über die Hintergründe des Yoga, seine Philosophie, die Geschichte und die daraus entstandenen verschiedenen Yogatraditionen nötig. Dazu ist Lehrkompetenz, Beobachtungsgabe, Didaktik und auch eine große Portion Einfühlungsvermögen, Geduld und Empathie notwendig. Besonders wichtig ist die Fähigkeit, jeden einzelnen Teilnehmer zu sehen und zu erkennen, was genau diese Person braucht, um Ganzheitlichkeit zu erlernen. Meines Erachtens fehlt es bei zu vielen Yogakursangeboten und auch Yogalehrerausbildungen fundamental an Kompetenz. Dies liegt unter anderem daran, dass der Begriff „Yogalehrer“ weder geschützt ist, noch bestimmte Ausbildungsstandards gelten.
Für mich selbst ist Yoga ein Geschenk. Es ist eine Technik, die Bewusstsein auf allen Ebenen schafft. Die Standfestigkeit, die Yoga lehrt, bietet auf der einen Seite die Möglichkeit, spannende Körperformen einzunehmen. Vielmehr aber befähigt sie auch dazu, den inneren Ängsten und alten Wunden zu begegnen, um diese zu heilen. Der Sanftmut, den Yoga ebenfalls vermittelt, half mir, geduldiger und mitfühlender zu mir selbst und auch zu anderen zu sein. Die bedingungslose Konfrontation mit mir selbst, half mir, herauszufinden, was ich wirklich möchte, was meine Wahrheit ist, wer ich bin, welche Muster und Gewohnheiten in mir wirken, und auch gewahr zu werden, nach welcher Verwirklichung ich mich sehnte. Im Grunde war es die Yogapraxis, die mich erkennen ließ, worin meine Fähigkeiten liegen, Mut zu fassen, auch Großes zu wagen, und Vertrauen in mich und auch in andere zu haben. Mein Anliegen ist es, das was für mich so transformierend und ermächtigend war und ist, weiterzugeben und dabei nicht aus den Augen zu verlieren, welche Kostbarkeit Yoga ist. Die Vermittlung dieser Lehre verlangt Respekt, Aufrichtigkeit, höchste Qualität und fortwährendes eigenes Lernen.

Openlotus sollte zu einem Ort werden, an dem jeder willkommen ist. Ich wollte einen geschützten Raum schaffen, der es erlaubt, mit seiner Freude und seinem Kummer, mit seinen Stärken und Schwächen zu sein, sich nicht verstecken und nichts beweisen zu müssen, um eben vorurteilsfrei zu begegnen und SEIN zu können. Die buddhistischen Tugenden von Mitgefühl, Güte, Achtsamkeit und auch Vertrauen in das grundsätzliche Gutsein des Menschen, waren die Grundlage meines Vorhabens. Damit dies Wirklichkeit werden konnte, suchten wir Mitarbeiter, die diese Gedanken teilen. Meine Absicht war, nicht nur „Hip und In“ zu verkaufen oder einen Trend zu vermarkten, sondern gelebtes, authentisches und qualitativ hochwertiges Yoga zu vermitteln. Mit Menschen zu arbeiten, braucht Zeit und einen Rahmen, der Einzigartigkeit willkommen heißt. Nur so ist es langfristig möglich, achtsames Bewusstsein für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und sich zu trauen, man selbst zu sein.

blühende RoseDer ganzheitliche Gedanke von Yoga – es schreibt sich so leicht – ist im Grunde genommen eine radikale Idee, die alles andere als leicht umzusetzen ist. Wie oft zum Beispiel ignoriert man die Bedürfnisse des eigenen Körpers? Der simple Impuls zur Toilette zu müssen, wird verschoben, bis dass das Schreiben fertig ist, an dem man gerade arbeitet, der Schlafmangel soll am kommenden Wochenende aufgeholt werden und die Erholung im nächsten fernen Urlaub stattfinden. Yoga sagt: JETZT, HIER, nicht gestern, nicht morgen. Leben ist JETZT. Die kleinen alltäglichen Begebenheiten machen den Unterschied, oder besser gesagt, die Bewusstheit, die ich in jedem Moment erlebe. Yoga lehrt auch die Einheit. Warum zum Beispiel bin ich vielleicht der Meinung, dass Arbeit und Privatleben zwei verschiedene Dinge sind? In dem einen verbringe ich irgendwie meine Zeit, auch wenn es mir nicht gefällt, während ich mich in der Freizeit um mein Wohlbefinden und die Freude kümmere? Sicher, wir müssen zwangsläufig Kompromisse eingehen, und nichts im Leben ist nur gut oder nur schlecht. Aber vielleicht ertragen wir Umstände im Leben, bei denen wir genau spüren, dass diese nicht richtig sind. Wir wagen es aber nicht, die Schritte zu unternehmen, die nötig wären, um Veränderung zu schaffen.

All diese Überlegungen und gehörig viel Optimismus lagen in mir, als ich Openlotus gründete.
Was nach den Jahren noch davon übrig ist? Eigentlich alles! Die Arbeit, die wir machen, zielt auf langfristige Qualität statt auf den schnellen, rauschenden Erfolg. Und nach den Jahren ist es so, dass Openlotus einen sehr guten Ruf genießt, und wir weiterhin nur mit Menschen arbeiten, die ebenfalls ernsthaft Interesse an der Tiefe des Yoga haben – und somit an der Entwicklung des eigenen Selbst. Wie die Lotusblume auf dem Weg an die Wasseroberfläche, um der Sonne ins Gesicht zu schauen und zurück zu lächeln.

Das folgende Zitat stammt vom XIV. Dalai Lama. Es hängt bei mir im Yogastudio, denn es erinnert mich immer wieder daran, nie aufzugeben!

GIB NIEMALS AUF
egal, was geschieht

gib niemals auf
entwickel dein Herz
zu viel Energie wird in deinem Land
dafür verschwendet, den Intellekt zu entwickeln
statt des Herzens
entwickel das Herz
sei mitfühlend
nicht nur zu deinen Freunden
zu jedem
sei mitfühlend
arbeite für den Frieden
in deinem Herzen, wie in der Welt
arbeite für den Frieden
und ich sage es nochmal
gib niemals auf
ganz egal, was passiert
ganz egal, was gerade um dich herum geschieht
gib niemals auf


–> weiter zu spannenden Beiträgen in unserem Blog: