Folge deinem Herzen, listen to your heart.

Eine der faszinierendsten Kritiken an populären westlichen Ideen/Konzepten über das Selbst bietet die indische Philosophie an: Geist (mind) und Herz (heart) sind zwei Namen für ein- und dasselbe. Sie heben lediglich unterschiedliche Aspekte dieses einen Ganzen hervor. Nach überlieferter indischer Tradition ist der Ort für Emotionen und Gedanken derselbe. Daher treten unbewusste Gedanken manchmal als Emotionen auf, und unbewusste Emotionen manifestieren sich als Gedanken. Beides, Gedanken und Gefühle, sind Schwingungen von citta (citta-vrittis), oder den „Herz-Geist-Angelegenheiten“ (heart-mind-stuff). Sie betonen lediglich zwei Aspekte des einen Ganzen. (Wäre dies nicht wahr, könnten wir nicht über unsere Gefühle sprechen oder uns für unsere Ideen begeistern). Der Unterschied zwischen Gedanken und Gefühlen ist einfach der, dass Gedanken-Schwingungen (vrttis) eine stärkere linguistische oder rationale Komponente haben, während Gefühls-Schwingungen (auch vrttis)  stärker emotional geladen sind. Der Unterschied ist nicht absolut, aber maßgeblich.

(deutsche Übersetzung eines englischen Textes von Christopher Hareesh Wallis aus der Reihe: Nahe Feinde der Wahrheit, Link siehe unten)


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Es braucht ein paar Minuten (vielleicht auch Monate) um das Ausmaß der Folgen dieses Statements komplett zu verinnerlichen. Es untergräbt gründlich die westliche Tendenz, Gefühle über Gedanken zu stellen, oder umgekehrt. Früheren Generationen wurde angeraten, der Vernunft zu vertrauen und nicht den unberechenbaren, eigensinnigen, irrationalen Emotionen. Emotionen galten als unzuverlässige Ratgeber für Handlungen. Heute hingegen heißt es: „Hör auf dein Herz“, was unglücklicherweise oftmals endet als: „Handle entsprechend deiner tiefliegenden Programmierung“. Man sagt uns: „Folge deinem Herzen“, was leider oft ausgelegt wird als: „Tu was du willst, lass den Verstand außen vor, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen“.

Fakt oder Feeling?

So scheint sich beispielsweise in Fernseh-Interviews niemand mehr für begründete Auffassungen zu interessieren, sondern wir hören Fragen wie beispielsweise: „Wie fühlen Sie sich dabei?“; und Antworten wie zum Beispiel: „Nach meinem Gefühl … “. Beides kommt zumeist nur dem Ausdruck eines nicht gut überlegten Gedankens gleich, einer nicht näher begründeten Meinung, die noch nicht einmal verteidigt werden muss, denn letzten Endes spricht man ja nur von den eigenen Gefühlen. Und Gefühle sind unanfechtbar, oder nicht? (Nein!)

Ich kritisiere diesen aktuellen Trend hier sehr harsch, aber natürlich ist die entgegengesetzte Sichtweise genauso gefährlich. Wir alle kennen sicher jemanden, der zwar außerordentlich intelligent und rational ist, dessen Unfähigkeit mit den eigenen menschlichen Gefühlen in Kontakt zu treten aber dazu führt, dass er/sie Meinungen zustimmt oder Handlungen ausführt, die unsensibel oder sogar unmenschlich erscheinen.

Im Gegensatz dazu wird ein Yogi (oder einfach nur ein ganz normaler Mensch), der danach strebt, eine weise Entscheidung zu treffen, sorgfältig und nüchtern alle Aspekte seines Seins befragen: Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, spirituelle Intuition und angeborenen Instinkt. Und er wird all das mit seinem*r Lehrer*In und vertrauenswürdigen Freunden abwägen. Er/sie wird keine dieser Instanzen bevorzugen, denn das würde auf längere Sicht zu einer Schieflage und damit zum Zerfall der eigenen Entscheidungsgrundlagen führen. 

Herz-Geist-Angelegenheiten, citta-vrittis

Schauen wir uns die Auswirkungen der Tatsache an, dass die Sprache Sanskrit dasselbe Wort für Geist (mind) und Herz gebraucht. Mit dem Wort citta ist beides gemeint und jedes steht synonym für das andere. Im Sanskrit gibt es auch keine eigenen Begriffe für Gedanken und Emotionen. Beides sind citta-vrittis, also Schwingungen/Vibrationen der Herz-Geist-Angelegenheiten, oder Bewegungen im Herz-Geist, oder Modifikationen im Herz-Geist. Bei näherer Betrachtung können wir feststellen, dass die Weisen aus alter Zeit absolut Recht hatten. Auch einer unserer führenden Wissenschaftler, Robert Sapolski, bekräftigt diese Sichtweise. Demnach ist es nur fehlender Reflektion geschuldet, dass unser Selbstbild zwei unterschiedliche Zentren aufzeigt, wobei das eine dem anderen übergeordnet wird. Die Folgen daraus sind wesentlich für den yogischen Pfad und werden hier nun weiter erforscht.

Nun mag der Einwand kommen: „Aber ich spüre es doch genau, dass meine Gedanken im Kopf stattfinden und meine Gefühle im Herzen!“ Ob du es glaubst oder nicht, es gibt eine ganze Menge an Beweisen, dass dies nur einer tiefen kulturellen Konditionierung entspricht. Im alten Indien nahmen die Menschen beides in der Herzregion wahr, Gedanken und Gefühle. Und im antiken Indonesien fühlten die Menschen beides in der Leber!*

Die Unterscheidung zwischen Herz und Geist in unserer Kultur reicht weit in die hellenistische Periode zurück, die ihrerseits konkurrierende cardiozentrische und cerebrozentrische Einflüsse übernahm. In den 1930er Jahren argumentierte C.G. Jung – meiner Ansicht nach zu Recht – dass wir Abendländer genau aus diesem Grund nicht in der Lage seien, Yoga erfolgreich zu praktizieren, eben weil wir an diese Unterscheidung zwischen Herz und Geist glauben. So lange dieser Widerspruch nicht aufgelöst sei (was Jung geradezu für unmöglich hielt)**, kann ein Westler nicht erfolgreich im Yoga sein (dies gilt offenkundig im breitesten Sinne).

Erforschen wir nun die logische Schlussfolgerung, warum Herz und Geist ein- und dasselbe sind. Zunächst einmal bedeutet es, dass emotionale Zustände oft mit einem unbewussten Gedanken oder Gedanken-Muster verknüpft sind. Wenn wir aus unserem natürlichen Zustand in einen kontrahierten Zustand gezogen werden, werden wir dazu erzogen, die Realität auf eine bestimmte Weise zu betrachten, die wiederum eine bestimmte Stimmung hervorruft, auch wenn dies unbewusst geschieht. Eine Stimmung nicht zu mögen, oder sich selbst wegen einer Stimmung nicht zu mögen – auch wenn es die schwärzeste Depression, fürchterliche Eifersucht oder was auch immer ist – lässt uns die Zeichen nicht erkennen, durch die unsere natürliche Intelligenz uns signalisiert, dass Selbstreflexion erforderlich ist. Die Natur handelt immer aus einem Grund, und daher fordert uns jegliche Form von Unbehagen auf, zu reflektieren. (Das bedeutet keinesfalls, dass jeder noch so furchtbare Zustand in dem du dich befinden magst, „verdient“ sei. Solche Gedanken sind eine subtile Form von Selbsthass. Es bedeutet auch nicht: „Das Universum will mir etwas zeigen“. Diese Form der Nutzung des Begriffs ‘Universum’ steht oft synonym für eine Art jüngstes Gericht eines dualistischen Herrschergottes unter anderem Namen.)

Wenn wir nachforschen, gnadenlos ehrlich und radikal aufrichtig mit uns selbst sind, werden wir zumeist herausfinden, dass unser schlechter Tag (Woche, Monat, Jahr) durch ein entmächtigendes oder zynisches Gedanken-Muster entfacht wurde, das wir vielleicht zunächst kaum bemerkt haben. Das wir dann aber geglaubt haben, aus dem wir eine Story gesponnen haben, ein Bild der Realität geschaffen haben, das unsere natürliche Fähigkeit zu Freude und Freiheit untergraben hat. Nichts kann uns unsere Lebens-Energie (prāṇa-śakti) schneller und effektiver entziehen, als eine wohl-gesponnene Geschichte (vikalpa), die nicht mit der Realität übereinstimmt. Das Problem ist, wir wissen oft gar nicht, dass es sich um Geschichten handelt. Genauer gesagt, je mehr die erdachte Geschichte mit unserem allgemeinen Bild über die Realität übereinstimmt (unsere Ängste in Bezug auf die Wirklichkeit), umso weniger sind wir uns dessen bewusst. Wir müssen solche Stories durch Selbstreflexion aufspüren. Die meiste Zeit über geht es um Variationen des grundlegenden Themas, das uns der Präsenz entreißt:  „Ich bin ein separates getrenntes Wesen mit Namen XY“. 

Sehen wir uns auch die andere Seite der Medaille an: Gedanken hängen oft mit verborgenen Emotionen zusammen. Ich (Hareesh) bin ausgebildeter Akademiker und in der akademischen Welt werden wir dazu angehalten, „objektiv“ zu sein. Daher neigen gerade Akademiker und Intellektuelle dazu, ihre intellektuellen Interessen auf eine Weise auszudrücken, als würden diese in einem Vakuum existieren, abgeschnitten von Gefühlen, Menschlichkeit und der eigenen Lebensgeschichte. Aber nichts existiert in einem Vakuum, und wenn du einen Akademiker näher kennenlernst (besonders in meinem Fachgebiet der religiösen und kulturellen Studien), wirst du entdecken, dass seine spezifischen intellektuellen Projekte in Wahrheit eng mit seiner Lebensgeschichte, seiner Psyche und emotionalen Landschaft verknüpft sind. Wenn man die Kräfte ignoriert, die unseren jeweiligen Standpunkt beeinflussen, führt das aufgrund fehlender Transparenz zu geringerer Objektivität. Ich glaube, dass eine derartige Heuchelei oder Vortäuschung [von vermeintlicher Objektivität] in der akademischen Welt unsere intellektuellen Projekte beeinträchtigt, und unserer Psyche schadet.

Bist du ein sogenannter Kopfmensch, also eher rational als emotional veranlagt, hast du nun zum besseren Verständnis der Verbindung zwischen Gedanken und Emotionen ein Werkzeug zur Verfügung: Nimm wahr, welche Meinungen und Sichtweisen – die zunächst leidenschaftslos erscheinen mögen – du vehement vertrittst; und spüre ihnen nach bis zu einem Ort deines Seins, an dem sie als reine Emotionen existieren. Zum Beispiel hast du eine klare Auffassung darüber, was „Gerechtigkeit“ oder „Fairness“ angeht. Ich möchte wetten, wenn du diese abstrakten Begriffe bis zu ihren zugrundeliegenden Emotionen hin verfolgst, entdeckst du vielleicht unterdrückten Ärger über Zeiten, in denen du ungerecht behandelt wurdest. Finde es heraus und setze die innewohnenden Kräfte frei. Und wenn du das tust, bewegst du dich gar nicht groß von einem Zentrum zum anderen (vom intellektuellen Geist (mind) zum emotionalen Herzen), sondern du deckst die versteckten Fäden der subtilen Strukturen des Geistes auf, die größer sind als du zuvor angenommen hast.

Falls du ein sehr emotionaler Mensch bist, sollte dir klar sein, dass deine Gefühle und samskāras dich dazu zwingen Meinungen zu vertreten, die möglicherweise nicht wahr sind, und du solltest dich bemühen, das innerlich zu kompensieren, indem du dir dessen bewusst wirst. Nur weil du das Gefühl hast, etwas sei wahr, muss das nicht wirklich stimmen. Gib dir einen Ruck und gestehe dir ein, dass es vieles gibt, dass du nicht weißt, und suche nach Fakten und Beweisen.

Zusammengefasst existieren Gedanken und Gefühle als ein Kontinuum, in dem der „Gedanken-Anteil“ durch seinen Wortreichtum definiert wird, wobei seine Rationalisierung teilweise zu einer Abschwächung der vollständigen Charge/Befrachtung eines gegebenen bhāva (Gefühl, gefühlsmäßige Wahrnehmung, Stimmung/Atmosphäre (vibe), mental-emotionaler Zustand) führt; während der „Gefühls-Anteil“ definiert wird durch das Fehlen von Begriffen, Worten und Optik der gesamten Charge/Befrachtung von Energie in eben jenem gegebenen bhāva. Wenn wir die fühlende Komponente in einem Gedanken entdecken, oder auch den Gedanken hinter einem Gefühl, bringen wir die Gesamtheit der konzentrierten subtilen Struktur unseres Energie-Körpers in unsere volle Aufmerksamkeit. Dies hilft, die wahre Natur des Gefühl-Gedankens (bhava) aufzudecken und damit auch seinen Einfluss auf unsere Realität.

Herz-Geist und spirituelles Herz

Kommen wir nun zum letzten Faden in diesem ganz speziellen Gewebe. Im Sanskrit gibt es außerdem die Vorstellung eines metaphysischen/spirituellen Herzens, „hṛdaya“ welches sich von „citta“, dem Herz-Geist unterscheidet. Nun gibt es im Sanskrit keine Groß- und Kleinschreibung, woher wissen wir also, welches gemeint ist, das Geist-Herz (heart-mind/citta), oder das spirituelle Herz (hṛdaya)? Die Präzision eines Begriffes wird im Sanskrit häufig dadurch gegeben, dass (im textlichen Umfeld) synonyme Begriffe angeboten werden. hṛdaya steht dann für das spirituelle Zentrum, wenn es begleitet wird von sāra (‘Essenz, Kern, Herzstück’), madhya (‘Zentrum’), svabhāva (‘wahre Natur’), ātman (‘Selbst’), oder ähnlichem.

Welche Wahrheit verbirgt sich also hinter dem nahen Feind der Wahrheit, in diesem Fall „Hör auf dein Herz“? Herz steht hier für das tiefste Innere deines Seins, das weit über Gedanken und Gefühle hinaus geht.

Die intuitive Weisheit, die aus dem Herzen, der Mitte, dem Kern entspringt, nennen wir in der tantrischen Denkweise pratibhā. Es ist eine Art tiefes inneres Wissen, eine Ahnung woher der Wind weht (oder wehen will), ein Spüren wohin die Ströme des Lebens dich führen möchten. Es ist schwer dies in Worte zu fassen, auch wenn ich es hier ebenso versuche, wie in meinem Buch „Tantra Illuminated“. Diese innere Weisheit dient immer auf die eine oder andere Weise dem Wohle aller Wesen. Darin unterscheidet sie sich von den Wünschen des Herz-Geist, die sich normalerweise nur am persönlichen Wohl orientieren. Daher wird dich die innere Weisheit nicht unbedingt zu dem führen, was du auf oberflächlicher Ebene begehrst. (Wie auch immer, durch spirituelle Praxis können Herz-Geist und innere Weisheit in Einklang kommen, citta verschmilzt mit pratibhā. Dann wird das was du willst zu dem, was das Leben will!)

Während pratibhā beständig ist, langsam und unaufhaltsam (z.B. zieht es dich unaufhaltsam hin zu oder weg von einer Person in deinem Leben, oder einer bestimmten Karriere, o. ä.), so sind die Wünsche des Herz-Geist launenhaft und wandelbar. Herz-Geist drückt sich gerne als endlose Gedankenschleife aus, z.B.: „Vielleicht sollte ich dies tun, oder doch lieber jenes!“ Dagegen ist pratibhā eine wortlose unterschwellige Strömung. Das was Rumi bezeichnet als: „die seltsame stille Anziehungskraft von etwas, das du wahrhaft liebst“. Hier ist dein wahres Du gemeint, nicht das kulturell konditionierte du von dem du glaubst, es zu sein.

Weiter oben sage ich, dass ein Yogi (oder ein Mensch mit gesundem Menschenverstand), der sich darum bemüht, eine weise Entscheidung zu treffen, alle Aspekte seines Seins befragen und gleichermaßen berücksichtigen wird. Hast du aber nach ausreichender spiritueller Praxis einen klaren Zugang zu pratibhā, wird dieser ganz natürlich zum entscheidenden Schiedsrichter, und das führt zu einer Lebens-Erfahrung von Harmonie. Denn alle inneren Unstimmigkeiten werden selbsttätig aus einem tiefen inneren Wissen heraus gelöst, dem wissenden Gespür für das was richtig ist, und das ist weder ein Gedanke, noch ein Gefühl oder ein Impuls.

Das grundlegende Thema ist also: Geht es um die Aufforderung „Hör auf dein Herz“, versagen die meisten Menschen darin, zwischen der emotionalen Seite des konditionierten Selbst, und der stillen, wortlosen Intuition ihres tiefsten Seins (welches über Emotionen und Gedanken hinaus geht) eine klare und notwendige Trennung zu ziehen. Das Versäumnis, diese essenzielle/maßgebliche/grundlegende Unterscheidung zu machen ist verständlich, denn ohne ein kontemplatives und/oder meditatives Leben kann man pratibhā nicht wirklich erfassen. Wenn du nicht zur inneren Ruhe findest, kannst du die innewohnende intuitive Instanz (die von Konditionierung nicht beeinflusst ist) weder hören, noch fühlen. Du kannst diese Intuition nicht von den schnell wechselnden Gezeiten der Emotionen unterscheiden.

Aufgrund des großen Interesses … mehr zu pratibhā

Pratibhā, gefeiert als die höchste Instanz des Bewusstseins in Vers 1.2 der Schrift Tantrāloka, bedeutet gleichzeitig intuitive Erkenntnis, natürlicher Instinkt und kreative Inspiration. Es ist die Instanz, die an die Stelle der vikalpas (Konditionierungen) tritt, indem sie die Handlungen eines erwachten Wesens leitet. Mit anderen Worten, jemand, die/der sich von sozialen und kulturellen Konditionierungen befreit hat, würde ohne solide Grundlage zur Entscheidungsfindung ziellos dahin treiben; wäre nicht die Tatsache gegeben, dass solch eine Freiheit mit einem wesentlich leichteren Zugang zu jener tiefen non-verbalen intuitiven Instanz einhergeht, die wir alle haben – aber nur wenige von uns sind still genug, sie wahrzunehmen. (Denn du musst in der Lage sein, ruhig und still zu lauschen, nur selten ist sie durch das Dröhnen des zwanghaft denkenden Geistes überhaupt hörbar.)

Im Gegensatz zu der Stimme des Geistes verteidigt sich die Stimme von pratibhā nicht, sie erklärt und rechtfertigt sich nicht, sondern bietet sich schlicht als Gabe an. Das fühlt sich ganz deutlich anders an als irgend eine Laune oder Vorliebe. Manchmal ist es nur ein kleines leises „Ja“ oder „Oh, oh“, tief im Inneren, und manchmal erkennt man es erst rückblickend. Zu anderen Zeiten fühlt es sich wie eine tiefliegende Unterströmung an, so kraftvoll wie ein langsam fließender mächtiger Fluss, eine beständige sanfte Anziehungskraft hin zu etwas, das mit deiner Essenz-Natur in Einklang ist und mit dem großen Muster des Lebens übereinstimmt.

Folgt man dieser Anziehungskraft umgehend, fühlt sich das richtig an – obwohl es sich nicht unbedingt falsch anfühlt, ihr nicht zu folgen –, nur eben weniger richtig. (Obwohl, wenn die Messlatte hoch genug angesetzt ist, und der Mensch sehr intuitiv ist, wird sich ein Handeln entgegen pratibhā ganz außerordentlich falsch anfühlen, sogar ziemlich mies.) Folgst du pratibhā in allen Belangen, so wird sich dein ganzes Leben durchdrungen vom Flow anfühlen (auch dann, wenn Herausforderungen auftreten), weil du mit dem großen Ganzen in Einklang bist.

Denn pratibhā ist vergleichbar mit einem Kompass der den natürlichen Flow des großen Bildes wahrnimmt, es ist eine solidere Basis für Handlungen, als unsere enge, provinzielle, vergängliche, willkürliche und eigentümliche kulturelle Konditionierung. Denn das Muster des großen Ganzen – pratibhā ist als eine Manifestation davon mit diesemverbunden – bewegt sich ganz natürlich und stets in Richtung Harmonie. Der tiefsten inneren Intuition zu folgen ist immer die Route, die allen Wesen am meisten dient.

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* Vgl. den faszinierenden Artikel “Culture and language: looking for the ‘mind’ inside the body” von Sharifian et. al., 2008.

** „Studiere Yoga: Du wirst unendlich viel daraus lernen; aber versuche nicht es anzuwenden, den wir Europäer sind einfach nicht dafür ausgelegt, diese Methoden korrekt anzuwenden.” ~ C.G. Jung


© Christopher Hareesh Wallis, August 2017 · Englischer Originalartikel hier!

Mit freundlicher Genehmigung übersetzt aus dem Englischen 09.2020 von: Brigitte Heinz  · Lektorat: D.M.